Self Publishing, die x-te

Aus dem immer größer werdenden Angebot qualitätssichernder Maßnahmen im Self-Publishing-Bereich greife ich wahllos eine heraus, über die ich heute morgen gestolpert bin: Selfpublishing rocks - eine freiwillige Selbstverpflichtung.
[...]

Jetzt bin ich, wenn's um nicht angeordnete, nicht kontrollierte Selbstregulierung geht, sowieso schon skeptisch. Ich kenne meine eigene Selbstdisziplin (eben leider nur dem Namen nach ... vielleicht werden wir einander irgendwann doch noch offiziell vorgestellt), und wenn man so an die Selbstverpflichtungen der Händler und Hersteller im Bereich Lebensmittel, Kleidung etc. denkt ... naja. So gesehen, kann das mit einer Selbstverpflichtung für selbstveröffentlichende Autoren gar nicht viel schlimmer enden.

 

Leider wird es vermutlich nur gar nicht erst anfangen. Wie will man für eine so uneinheitliche Gruppe überhaupt Regeln aufstellen? Zu den "Indies" zählen Leute, die mehrere Dutzend E-Books pro Tag verkaufen, ebenso wie solche wie ich (die im Laufe ihrer Amazon-Karriere nicht mal genügend Verkäufe zusammengekriegt hat, um eine Auszahlung zu erhalten). Da gibt es Leute, die für gutes Geld professionelle Qualität extern einkaufen, und solche wie Simone Kaplan, die perverserweise eine der bekanntesten verlagslosen Autoren sein dürfte, nicht obwohl, sondern weil sie auf jede Qualität verzichtet.

 

Entsprechend schwammig müssen die Selbstverpflichtungsregeln auch formuliert sein:

  • 1. Ich respektiere meine Leser und nehme sie und ihre Ansprüche ernst.
  • 2. Ich biete die beste mir mögliche Qualität an – in Inhalt und Aufmachung.

Bei Punkt 1 werde ich ja schon ganz hellhörig. Ich nehme die Ansprüche der Leser ernst? Immer? Selbst wenn sie idiotisch sind? Wenn "die Leser" unbedingt eine Liebesgeschichte zwischen dem vom Christentum zum semi-buddhistischen Neu-Asatru konvertierten Kreuzritter und dem vom lüsternen Inquisitor als Hexe verfolgten Kräuterfräulein lesen wollen, das mit einem Wolf in einer Hütte/Höhle im Wald lebt? In einem Deutsch ohne Nebensätze und mit Kapiteln, die um Gottes willen nicht länger als drei oder vier Seiten lang sein dürfen?

Nee, sorry. In diesem Fall sage ich ganz klar: Schreib dir den Scheiß selber. Oder kauf' dir was vom Stapel, liegt ja genug davon rum. - Deshalb bin ich doch Hobby-Schreiber und bezahle dafür, schreiben zu dürfen: Um machen zu können, was mir gefällt.

 

Und Punkt 2. Hm. Was ist denn "die beste mir mögliche Qualität"? Wenn ich ein paar Hunderter drauf packe, kann ich mir sicher einen ordentlichen Korrektor leisten. So sehr am Hungertuch nage ich ja auch wieder nicht. Wahrscheinlich hätte ich sogar genug zusammen für ein richtiges Lektorat (o Gott - der arme Kerl, der sich dieses Lektorat antun müßte!) oder ein Cover (und könnte mir die schrecklichen Peinlichkeiten mit Gimp ersparen). Stattdessen lasse ich die Rechtschreibprüfung drüber laufen und habe ein paar Mal den Wahrig bemüht. Daß in einem Text von mir jede Menge Wortdoppelungen, Grammatik- und Bezugsfehler stecken bleiben, weil ich sie beim Nachbessern einfach nicht finde, ist dabei unvermeidbar. Insofern liefere ich ganz klar nicht "die beste mir mögliche Qualität" ab.


Warum? Weil ich - Pardon - hier tatsächlich ansatzweise unternehmerisch denke. Mein "Buch" (wenn man es denn so nennen will) wird kaum jemand zu sehen kriegen außer ein paar Freunden, die nett genug sind, mir zuliebe über seine Schwächen und Mängel hinwegzusehen - wie das bei den allermeisten Hobby-Schreibern nun mal so ist, die mehr Freude am Schreiben als Talent dafür mitbringen. Es wird die Kosten, die es verursacht, nicht wieder einspielen. Insofern sehe ich es nur als sinnvoll an, diese Kosten niedrig zu halten.

Und wer tatsächlich aus Versehen über mein Buch stolpert, kann sich anhand des Covers schon sein Teil denken und schreiend das Weite suchen.

 

  • keins meiner Bücher erscheint, ohne dass es zuvor von Test-Lesern geprüft wurde, egal ob das Bekannte sind oder bezahlte Profis

Ähm - das ist jetzt aber schon ein gewaltiger Unterschied, oder? Ob ich für gutes Geld einen Lektor mit Verlagserfahrung engagiere oder meinen halb analphabetischen Nachbarn mal drüber gucken lasse? - Bei genauerer Überlegung: der Kater meiner Eltern schnurrt bei allem, was ich ihm so erzähle. Ich denke, ich werde ihm mein Skript mal vorlegen.

 

Die Punkte 4 bis 6 (kein Werbespam, kein gegenseitiges Niedermachen, Respekt vor dem althergebrachten Buchhandel) kann ich dagegen gar nicht dick genug unterstreichen. Gleichzeitig bin ich in diesen Punkten besonders skeptisch.

 

Und dann Punkt 8.

 

  • 8. Ich will als Selbstverleger permanent besser werden und bilde mich weiter – als Autor und als Unternehmer.

Nö. Besser werden will ich nur beim Schreiben. Ich bin kein Unternehmer. Ich bin Angestellter. Mein Chef zahlt mir ein Gehalt, für das leiste ich Arbeit (und im Zweifelsfall hat die auch immer Vorrang!). Mein Schreiben ist mein Privatvergnügen. Betonung auf "Vergnügen".

 

Ich weiß, ich weiß. Für solche wie mich sind diese Regeln ja auch nicht gedacht. Aber ich befürchte nach wie vor, solche wie ich machen den Großteil der "Indies" aus - vielleicht nicht ganz so erfolglos, und sicher nicht freiwillig (ist es bei mir ja auch nicht). Die Buchbranche ist eben kein "Markt, der groß genug für alle ist, die Qualität anbieten". Ganz im Gegenteil, es ist ein Markt, auf dem das Angebot die Nachfrage übersteigt, auf dem man ohnehin das Gefühl hat, zu jeder halbwegs verkaufsfähigen Idee gibt es mindestens drei Bücher. Von den verlagsfreien Autoren werden dann noch die Bücher vier bis dreizehn daneben gestellt.

 

Es tut mir einfach leid, daß diese "Self publishing"-Idee so wenig als das wahrgenommen wird, was sie ist: eine Chance, risikolos, für ganz kleines Geld, Bücher zu machen, die kein Verlag je machen könnte, weil sie sich nicht lohnen. Bücher für drei oder vier Leser (die sich aber wirklich dafür begeistern). Liebhaberprojekte.

Stattdessen der gefühlt zweihundertdreiundachtzigste Aufruf zu noch mehr "Professionalität". Werft noch mehr Bücher auf den Markt, der ohnehin schon unter dem Gewicht austauschbarer Texte ächzt und stöhnt! Das Ding muß doch kaputtzukriegen sein ...

Kommentar schreiben

Kommentare: 0

Letzte Neuigkeiten

  • 6.02.2012: Neues KDP-E-Book: "Heidenspektakel"
  • 1.10.2012: Neues KDP-E-Book: "Roß und Reiter"
  • 3.06.2012: Das erste Mini-e-Book (via Amazon KDP)
  • 2.01.2012: Eine Buchbesprechung im Lokalteil des Erdinger Anzeigers
  • 19.11.2011: Rechtzeitig zum nahenden Advent: Eine Weihnachtsgeschichte mit Lantpert und Fulcko
  • 28.09.2011: Ich konnt's nicht mehr sehen. Die zweite Auflage - hoffentlich mit deutlich weniger Fehlern - ist in Auftrag gegeben.
  • 2.09.2011: Meine Kurzgeschichte für den Wettbewerb von Buchjournal.de ist online! Zu finden hier: Das Tuch
  • 17.8.2011: Wirklich schöne Neuigkeit: Bei dem Kurzgeschichten-Wettbewerb zum Thema "Rot", den das Buchjournal veranstaltet hatte, habe ich einen der Plätze zwischen 4 und 20 belegt.